Lauterbach plant Kochsalzlösung-Importe

Deutschlands Abhängigkeit von Medikamentenimporten: Warum wird selbst Kochsalzlösung nicht mehr im eigenen Land produziert?

Von Jan Siefken

Kochsalzlösung

Warum Deutschland Kochsalzlösung importieren muss

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, den Import von Kochsalzlösungen zu erlauben, um die bestehende Knappheit in deutschen Krankenhäusern zu lindern. Dieser Schritt wirft jedoch eine zentrale Frage auf: Warum ist es überhaupt notwendig, Kochsalzlösung, ein so einfaches und grundlegendes medizinisches Produkt, aus dem Ausland zu importieren? Und warum gibt es immer wieder Lieferengpässe bei so vielen wichtigen Medikamenten in Deutschland?

Die Situation: Knappheit bei Kochsalzlösung

Kochsalzlösungen gehören zu den grundlegendsten Medikamenten in jeder medizinischen Einrichtung. Sie werden als Infusionen bei Dehydrierung, zur Medikamentenverabreichung und sogar bei einfachen Spülungen verwendet. Trotz ihrer einfachen Zusammensetzung – im Wesentlichen nur Wasser und Salz – ist ihre Verfügbarkeit in deutschen Kliniken und Apotheken immer wieder eingeschränkt.

Diese Knappheit führt nun dazu, dass Lauterbach auf Importe angewiesen ist, um die Versorgung sicherzustellen. Doch dies ist nur ein Symptom eines tieferliegenden Problems in der Medikamentenproduktion Deutschlands. Warum ist ein hochentwickeltes Land wie Deutschland nicht in der Lage, eine stabile Versorgung mit so simplen Produkten sicherzustellen?

Produktionsverlagerung ins Ausland: Ein Systemfehler

Ein Grund für die aktuelle Lage ist die Produktionsverlagerung ins Ausland. Viele Medikamente, einschließlich Kochsalzlösungen, werden seit Jahren aus Kostengründen nicht mehr in Deutschland produziert. Der Herstellungsprozess wurde in Länder mit günstigeren Produktionsbedingungen verlagert, wie etwa Indien oder China. Dort lassen sich Medikamente günstiger produzieren, was die Preisgestaltung für den deutschen Markt attraktiver macht.

Diese Strategie, die auf maximale Kosteneffizienz setzt, geht jedoch auf Kosten der Versorgungssicherheit. Sobald es in den Produktionsländern zu Engpässen, Qualitätsproblemen oder logistischen Störungen kommt – wie es beispielsweise während der COVID-19-Pandemie der Fall war – spüren die Gesundheitssysteme in Deutschland die Auswirkungen sofort. So entsteht ein fragiles System, das auf globalen Lieferketten basiert und keine Reserven für Krisenfälle aufweist.

Warum wird nicht mehr in Deutschland produziert?

Die Entscheidung, Produktionen aus Deutschland auszulagern, ist eng mit den Preisstrukturen des Gesundheitssystems verbunden. Die Vergütungspreise für Arzneimittel werden durch die Krankenkassen stark reguliert, um die Kosten im Gesundheitswesen gering zu halten. Das hat zur Folge, dass sich eine lokale Produktion für viele Hersteller einfach nicht rechnet. Besonders bei generischen Medikamenten und Basisprodukten wie Kochsalzlösungen sind die Margen so gering, dass Unternehmen keine Anreize haben, neue Produktionsstätten in Deutschland aufzubauen.

Ein weiteres Problem sind die hohen regulatorischen Anforderungen in Deutschland. Die strengen Auflagen und regelmäßigen Kontrollen sorgen zwar für hohe Qualität, aber erhöhen die Produktionskosten erheblich. Während diese Regeln bei komplexen Medikamenten und neuen Wirkstoffen sinnvoll sind, bremsen sie bei simplen Produkten wie Kochsalzlösungen eher die Produktionsbereitschaft.

Die Folge: Mangel bei einfachen und wichtigen Medikamenten

Das Resultat ist, dass viele grundlegende Medikamente nicht in ausreichender Menge verfügbar sind. Dies betrifft nicht nur Kochsalzlösungen, sondern auch Antibiotika, Schmerzmittel und Narkosemittel. Diese Engpässe gefährden die Patientenversorgung und führen zu zusätzlichen Belastungen für das medizinische Personal, das nach Alternativen suchen muss.

Der Gesundheitsminister steht hier vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits muss er kurzfristig den Mangel beheben, andererseits aber auch strukturelle Maßnahmen ergreifen, um langfristig wieder mehr Produktion in Deutschland zu ermöglichen. Temporäre Importregelungen können Engpässe zwar kurzfristig ausgleichen, lösen aber nicht das grundlegende Problem.

Gibt es Lösungen?

Es gibt mehrere Ansätze, um die Medikamentenproduktion wieder nach Deutschland zu holen:

  1. Förderprogramme für lokale Produktion: Der Staat könnte Anreize schaffen, indem er Subventionen für den Aufbau neuer Produktionsstätten in Deutschland gewährt oder steuerliche Vorteile bietet.
  2. Lockerung der Preisregulierung: Eine Reform der Preisgestaltung könnte es den Herstellern ermöglichen, auch bei Basismedikamenten wie Kochsalzlösungen höhere Margen zu erzielen, was eine Produktion im Inland attraktiver macht.
  3. Entbürokratisierung: Durch eine gezielte Entschärfung von Regularien, speziell bei wenig komplexen Medikamenten, könnten Produktionskosten gesenkt werden.
  4. Strategische Reserven: Deutschland könnte zudem nationale Medikamentenlager aufbauen, um bei Engpässen eine gewisse Unabhängigkeit zu haben.

Langfristige Versorgungssicherheit statt kurzfristiger Flickschusterei

Die aktuelle Situation verdeutlicht ein grundlegendes Problem: Das deutsche Gesundheitssystem ist zu abhängig von globalen Lieferketten. Anstatt bei Lieferengpässen regelmäßig auf Importlösungen zurückzugreifen, muss Deutschland den Aufbau einer stabilen und unabhängigen Medikamentenproduktion priorisieren.

Denn die Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten birgt nicht nur wirtschaftliche, sondern auch sicherheitspolitische Risiken. Sollte es in Zukunft zu politischen Spannungen oder globalen Krisen kommen, könnte dies die Medikamentenversorgung Deutschlands weiter gefährden. Eine stärkere Rückverlagerung der Produktion ist daher nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll, sondern auch eine Frage der nationalen Sicherheit.

Fazit: Deutschland muss wieder mehr Verantwortung übernehmen

Die geplanten Importe von Kochsalzlösungen sind eine Notmaßnahme, die zeigt, wie weit Deutschland bei der Produktion essenzieller Medikamente zurückgefallen ist. Es ist Zeit für ein Umdenken in der Gesundheitspolitik: Statt kurzfristige Engpässe mit Importen zu bekämpfen, sollte der Fokus darauf liegen, eine stabile und widerstandsfähige Produktion im eigenen Land aufzubauen. Nur so kann sichergestellt werden, dass selbst bei globalen Krisen eine kontinuierliche Versorgung der Bevölkerung gewährleistet bleibt.

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